Schweizer Dorf des Jahres 2022
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Geschichte

Die Geschichte von Urnäsch

Der Name Urnäsch wird bereits im 9. Jahrhundert zum ersten Mal erwähnt, damals allerdings noch für den Fluss «Urnasca», der dem Dorf den Namen gegeben hat. Der Weiler Färchen wird in einer Schenkungsurkunde 831 als «Farrichun» bezeichnet. Unter der Herrschaft der Abtei St. Gallen bildete Urnäsch zuerst mit Herisau einen Verwaltungsbezirk und war im 14. Jahrhundert eine Rhode des Amtes Hundwil. 1377 trat es als eines der «Lendlin» dem Bund mit der Stadt St. Gallen bei und tat sich in den Appenzeller Kriegen von 1401 bis 1429 derart hervor, dass die Rhode Urnäsch in Zukunft bei der Aufzählung der Gemeinden an erster Stelle genannt wurde. 1417 erhielt Urnäsch die endgültige politische und kirchliche Selbstständigkeit nach dem Bau der Kirche im Jahre 1414. 1480 wurden die Grenze zu Hundwil bereinigt. Seither gehört die Schwägalp zu Hundwil. 1525 traten die Urnäscher über zur Reformation und gehören darum seit der Landteilung von 1597 als erste der sechs äusseren Rhoden zum Land, später Kanton Appenzell Ausserrhoden.

Beim Dorfbrand von 1641 gingen Kirche, Pfarr- und Rathaus und zwölf weitere Häuser in Flammen auf. 1720 wurde in Schönengrund eine eigene Kirche gebaut und 1722 wurde in einem Vertrag die Abtrennung des Gebietes hinter dem Hamm von Urnäsch besiegelt. 1912 wurde die römisch-katholische Pfarrei Urnäsch-Hundwil mit einer Kirche in Zürchersmühle gegründet.

Neben der Textilindustrie spielen die Alp- und Vieh-, sowie die Forstwirtschaft seit jeher eine herausragende Rolle. Schon 1592 ist ein Jahrmarkt nachgewiesen. Bis 1825 gab es ein grosses Gemeinmerk, eine Allmend, der Urnäsch entlang vom Kronbach bis zur Schwizeren. Bis ins 19. Jahrhundert wurde Salpeter gesotten, unter anderem für die Herstellung von Schiesspulver. Die Köhlerei spielte bis ins 20. Jahrhundert eine allerdings allmählich abnehmende Rolle. Seit 1515 ist die Herstellung von Leinwandtuch bezeugt, 1604 der Flachsanbau.

Weberei und Stickerei prägten vor allem im 19. Jahrhundert die Gemeinde. Die industrielle Entwicklung wurde durch die Eröffnung der Appenzellerbahn 1875 gefördert. Ende des 20. Jahrhunderts mussten fast alle Zwirnereien, eine Weberei und die Wirkwarenfabriken aufgeben. Seit 1966 bietet aber die Teppichbodenfabrik Tisca-Tiara Arbeitsplätze in Urnäsch an. Fünf Kleinkraftwerke an der Urnäsch sind von den ehemals viel zahlreicheren Wasserrädern übriggeblieben, die während Jahrhunderten Mühlen, Sägereien und Stampfwerke antrieben. Der Bau der Säntisbahn 1935 förderte den Fremdenverkehr. Im Jahr 1976 wurde zudem das weitherum bekannt gewordene Appenzeller Brauchtumsmuseum eröffnet.

Eine im 2001 abgeschlossene ETH-UNS Fallstudie attestierte der Region Urnäsch aufgrund seiner gepflegten Kulturlandschaft, der intakten Natur, dem gelebten Brauchtum, dem gut ausgebauten Wanderwegnetz und Verkehrsangebot sowie des breiten Gastronomie- und Einkaufsangebots gute Voraussetzungen für eine verstärkte touristische Ausrichtung. In der Folge entwickelt sich Urnäsch Schritt für Schritt vom Ausflugs- zum Ferienort, mit dem Ziel, den sanften Tourismus nachhaltig weiterzuentwickeln und möglichst viel Wertschöpfung vor Ort zu generieren.

2006 wurde mit dem Bau eines grossen Feriendorfes für die Schweizer Reisekasse Reka begonnen, mit der Absicht, umweltverträglichen, sanften Tourismus zu betreiben. Der Bau des Reka-Feriendorfes gab Anstoss für die Realisierung von weiteren Projekten: Ein Wärmeverbund mit einer Holzschnitzelfeuerungsanlage zur Wärmeversorgung des Reka-Feriendorfes sowie von Öffentlichen-, Gewerbe- und Privat-Bauten wird eröffnet; durch lokal verwurzelte Firmen wird der Verein Urholz gegründet, dessen Ziel darin besteht, Holz aus den Wäldern der Region ökologisch sinnvoll zu nutzen und mit einem hohen Qualitätsstandard zu verarbeiten. Zudem bauten verschiedene private Gewerbebetriebe ihr Angebot aus.

Mit Bundesunterstützung wird Ende 2007 ein landwirtschaftliches Regionalprojekt mit fünf Teilprojekten initiiert, welche Investitionen von rund sieben Millionen Franken auslösen:

  1. Auf Initiative von 39 einheimischen Landwirten wird die Urnäscher Milchspezialitäten AG gegründet. Seit 2009 wird in der Urnäscher Käserei erfolgreich eigener Käse hergestellt und verkauft.
  2. Der Bau eines gewerblichen Käsereireifungslagers durch die Firma Dörig Käsehandels AG, in welchem die Urnäscher Käse spezifisch reifen und danach in enger Zusammenarbeit vermarktet werden können.
  3. Auf verschiedenen Landwirtschaftsbetrieben wird – im Zusammenhang mit der Eröffnung des Reka-Feriendorfes – erfolgreich in agrotouristische Angebote investiert.
  4. Durch Urnäschs Tourismusverantwortliche wird ein Landwirtschaftsweg angeregt, als Themenweg zur Ergänzung und Verbindung der agrotouristschen Angebote. Zwischen Steinfluh Schwägalp und Urnäsch wird schliesslich der für Familien attraktive «Lillyweg» gebaut.
  5. Ein Streueschopf wird zur Naturerlebnishütte umgebaut. Als Erlebnisangebot werden Naturinteressierte von „Gschichteerzählerin“ durch den Wald zur Naturerlebnishütte geführt, wo sie mit den jahreszeitlichen Naturbesonderheiten vertraut gemacht werden.

Wichtig für Urnäsch sind auch die zwei im Dorfleben integrierten Heiminstitute. Seit 1961 bietet die Stiftung Columban, deren Häuser in den letzten Jahrzehnten nach anthroposophischen Ideen neu gebaut wurden, erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung ein betreutes Zuhause. Im Heim «Rosenhügel» werden seit 1964 geistig behinderte Kinder- und Jugendliche betreut. Trägerin ist seit dem Jahr 2000 die Stiftung Zürcher Kinder- und Jugendheime.

 

Verwirrung um das Urnäscher Wappen

Der Heraldiker Jakob Signer schlug 1916 ein Urnäscher Wappen vor, das es vorher noch gar nicht gegeben hatte. Der Anlass dazu war der Neubau des Rathauses in Herisau von 1914, in welchem sämtliche Gemeinden mit ihren Wappen in den Fensterscheiben des Kantonsratssaals aufgenommen wurden. Signer beschreibt das Wappen so:

«In Silber ein querlaufender Fluss; darüber ein auf allen Vieren gehender schwarzer Bär (Vorschlag)»

Er fasst in der Begründung die Geschichte des Dorfes kurz zusammen und erwähnte, dass Urnäsch, genauso wie Teufen und Gais, vor der Landteilung von 1497 kein eigenes Siegel hatten. Das sei deshalb erstaunlich, weil Urnäsch bei der Aufzählung der Gemeinden bis in die neuste Zeit immer zuerst erwähnt wurde, «an der Landsgemeinde stets die erste Stimme und Anfrag» hatte und als erste Gemeinde im Lande angesehen wurde. Nach der landläufigen Begründung hängt das mit dem überdurchschnittlichen Einsatz der Urnäscher in den Freiheitskriegen zusammen. Herisau, Hundwil und Trogen hatten bereits vorher ein Wahrzeichen mit einem aufrechten Bären, während Appenzell als Reichsländlein den Bären auf allen Vieren führte. Urnäsch war zwar eine eigene Rhode, gehörte aber zum Meieramt Hundwil und habe sich unter das Siegel von Appenzell gebunden, schreibt Signer. Darum sei es sinnvoll, dass das vorgeschlagene Urnäscher Wappen einen Bären auf allen Vieren zeige. Signer kannte offenbar die ältesten Urnäscher Wappendarstellungen nicht. Dort, im 17. Jahrhundert, steht der Bär aufrecht heraldisch nach rechts schreitend, meist vor einem Wellenband. Das älteste, allerdings beschädigte Siegel dieser Art kommt vor an einem Wasserrechtsbrief von 1696 . Dort siegelte Statthalter Jacob Mettler mit «der ersamen Gemeind und Kilchhörj Urnäschen eigen ihme anvertrauwt Insigell». Signer war nur eine Darstellung des aufrechten Bären vor dem Wellenstrom aus dem Jahre 1820 bekannt. Weil diese relativ neue Darstellung dem heraldischen Grundsatz widerspricht, dass nicht Farbe auf Farbe liegen dürfe (schwarz auf blau), schlug er den auf allen Vieren gehenden Bären über dem Wellenband vor. Und so ist das falsche Wappen im Kantonsratssaal geblieben. In Herisau prangt es auch an einer Hauswand im oberen Teil der Schmiedgasse, in Urnäsch kommt es an der Front des ehemaligen Restaurants Harmonie und in einer Glasscheibe im Restaurant Sonne vor.

Aufrecht gehender Bär (schwarz) mit blau gewelltem Fluss (Urnäsch, Grund: silber)

Geschichtsbuch

Nach einem kurzen chronologischen Überblick für eilige Leser folgen drei Kapitel von aussenstehenden Spezialisten über die Entstehung der Landschaft, die Pflanzen- und Tierwelt und die Beziehungen Urnäschs im Mittelalter zum Kloster St. Gallen. Anschliessend werden die Leserinnen und Leser zu einem Spaziergang durch das Brauchtumsjahr eingeladen.

Urnäsch wurde durch seine einzigartige Vielfalt von Bräuchen weitherum berühmt und deshalb bestimmt der Brauchtumskalender jeweils das Thema, nachdem der Brauch selbst geschildert worden ist. So wird beim Silvesterchlausen der Streit um die Kalenderreform behandelt, beim Bloch geht es um Wald, Holz und Wasser und beim Thema Kirchhöri um die religiöse und politische Entwicklung. Handwerk, Gewerbe, Industrie und die Erschliessung des Dorfes werden ebenso behandelt wie die medizinische Versorgung, die Geschichte der Schulbildung und die Entwicklung der Bevölkerung. Von Zeit zu Zeit werden sozusagen als Aperitif kursiv gedruckte kleine Geschichten mit seltsamen und lustigen Ereignissen eingestreut, die den Appetit auf das folgende Thema anregen sollen. Bisher unbekannte Akten aus dem reichen Gemeindearchiv sind die wichtigsten Quellen für die spannenden Geschichten aus dem Urnäscher Alltag vergangener Zeiten.

Das Buch kann in unserem Onlineschalter bestellt oder direkt bei der Gemeinde gekauft werden.